Mauricio Grützmann

In Emsbüren eine Perspektive gefunden

Für seinen beruflichen Wunsch tauschte er subtropisches Klima gegen norddeutsches Schietwetter – bereut hat Mauricio Grützmann diesen Schritt nicht. Der 20-Jährige stammt aus Paraguay und kam vor knapp zwei Jahren ins Emsland, um bei der BvL Group in Emsbüren seine Ausbildung zum Mechatroniker zu machen.

„In Paraguay gibt es mittlerweile viele moderne Maschinen, insbesondere Landmaschinen, aber wenige, die sie auch wirklich reparieren können“, nennt Mauricio einen Grund, weshalb er den Sprung ins kalte Wasser und in eine duale Ausbildung in Deutschland wagte. Eine solche Ausbildung gibt es in dieser Form in seinem Heimatland nämlich nicht. „In Paraguay müsste man erst studieren und würde dann in der Praxis arbeiten. Aber ohne Erfahrung ist es schwierig überhaupt einen Job zu bekommen“, erklärt der junge Mann. Heute ist er bereits im dritten Ausbildungsjahr zum  Mechatroniker bei der BvL Group, im Unternehmensbereich Oberflächentechnik. 

In Emsbüren eine Perspektive gefunden

Die duale Ausbildung als Chance und Motivation

Ohne einen Kontakt nach Deutschland wäre er aber niemals ins Emsland gekommen. Ein ehemaliger Mitschüler einer deutschen Mennonitenschule im südlichen Paraguay kam schon 2019 nach Emsbüren in die BvL Group – auf Werben einer Delegation rund um das Projekt „Perspektive Emsland“ des Wirtschaftsverbandes Emsland. Allein dadurch war er auf die Option der dualen Ausbildung in Deutschland aufmerksam geworden. Auch Bernard van Lengerich, einer der Geschäftsführer der BvL Group, gehörte zu dieser Delegation. „Eine Grundidee des Projekts ist es, das Emsland als Arbeitsregion im Ausland interessant zu machen – und so konkret offene Ausbildungsplätze in dieser Region mit deutschsprachigen jungen Leuten aus Paraguay zu besetzen“, erklärt er. Und diese jungen Leute gibt es in deutschen Kolonien im Chaco und anderen Teilen Paraguays. Doch van Lengerich sieht noch weitere positive Facetten: „Automatisch wird so ein Stück mehr Internationalität direkt in den Betrieb getragen. Außerdem strahlt die hohe Motivation dieser Auszubildenden auch auf das Team aus.“

Vorteile des Programms des Wirtschaftsverbandes sieht Mauricio beispielsweise auch darin, dass er Hilfe beim Umgang mit der deutschen Bürokratie erhält: ob beim Einrichten eines Bankkontos oder sonstigen Formularen. Mauricio hatte Glück. Denn neben Ansprechpartnern aus dem Wirtschaftsverband, hatte er mit seinem Bekannten auch direkt einen ganz persönlichen Ansprechpartner vor Ort. Seit seiner Ankunft in Emsbüren wohnen die beiden in einer Wohngemeinschaft.

 

Ein Stückchen Heimat im Emsland

Regelmäßig treffen er und Mauricio sich mit anderen Auszubildenden aus Paraguay, die in anderen emsländischen Betrieben lernen und arbeiten. Einige davon haben aktuell ihre Ausbildungen bereits abgeschlossen. Dank des Programms findet Mauricio so immerhin ein Stückchen Heimat im Emsland. Die vermisst er nämlich schon, wie er berichtet: „Zum einen ist es das Wetter: Bei uns zu Hause ist es deutlich wärmer. Dort habe ich mich oft mit Freunden am See getroffen. Außerdem hatte ich dort viel mehr Freiheiten, es ist nicht alles so streng geregelt.“ Die deutsche Bürokratie nervt Mauricio einerseits, andererseits sieht er aber auch Vorteile.  Eines wird er in Paraguay ganz klar vermissen: „Den geregelte Verkehr – denn bei uns hält sich auf der Straße keiner an Regeln. Ach, und das Fahrradfahren, das sieht man bei uns zu Hause kaum.“

Regeln waren das eine, leichte Sprachbarrieren das andere, was den Start in Emsbüren etwas erschwerte. „Ich konnte durch den Deutschunterricht an meiner Schule bis auf einige technische Begriffe zwar fast alles verstehen, aber wenig Deutsch sprechen. Das habe ich mit der Zeit hier gelernt“, sagt Mauricio, der selbst nicht aus einer deutschen Kolonie stammt. Die Ausbildung ist für ihn fast perfekt. Durch die Mischung aus Metallbau und Elektrotechnik lernt er ein breites Spektrum an Tätigkeiten kennen. Sein Herz schlägt allerdings klar für den Elektro-Bereich. Dort möchte er später seinen Arbeitsschwerpunkt setzen. Apropos später: Mauricio beendet im Idealfall kommendes Jahr seine Ausbildung. Danach möchte er gerne noch praktische Erfahrung im Maschinen-Service sammeln. Langfristig sieht er sich aber eher in seinem Heimatland. Dann aber mit besserer Perspektive dank guter Ausbildung.

 

Perspektive Emsland

Seit 2019 unterstützt der Wirtschaftsverband Emsland e.V. mit dem Projekt „Perspektive Emsland“ Jugendliche aus Paraguay, die eine Ausbildung im Emsland beginnen möchten. Die ersten fünf Auszubildenden schlossen 2022/23 ihre Ausbildung erfolgreich ab. „Vier von diesen jungen Leuten sehen eine Lebens- und Arbeitsperspektive im Emsland und haben sich dazu entschieden, hier zu bleiben. Alle vier wurden von ihrem Ausbildungsunternehmen übernommen“, berichtet Michaela Bergen, Projektleiterin der Perspektive Emsland.  Zurzeit befinden sich im Emsland noch 15 weitere paraguayische Jugendliche in der Ausbildung und für August 2023 gibt es bereits sechs konkrete Anmeldungen sowie mehrere Interessenten. Das Projekt wird durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) der Europäischen Union gefördert.

Auch der Arbeitsmarkt in der Region ist für die Paraguayer*innen ansprechend. So sind schon zwei Familien ins Emsland gezogen. Weitere Familien und Fachpersonal, wie z.B. Ärztinnen und Ärzte, werden 2023/24 folgen.